In der vergangenen Woche drängte ein Thema in den Vordergrund, mit dem ich zwar gerechnet hatte, dass ich aber etwas unterschätzt hatte. Ich wusste schon länger, dass die „Bürgerkommission für Menschenrechte“ aka KVPM aka CCHR, eine Tarnorganisation von Scientology, am 28. März in Wien eine Anti-Psychiatrie-Demonstration plant. Ein Poster machte mich dann aufmerksam, dass auf deren Website schon seit 5. März die Details dazu stehen und am vergangenen Freitag warteten die Sektierer dann mit einem Coup auf: Man hatte den ehemaligen Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichts in Wien, Dr. Karlheinz Demel, als Eröffnungsredner ihrer Ausstellung gewonnen …
Scientology-Ausstellung: Die Wanderausstellung Psychiatrie – Tod statt Hilfe kommt alle paar Jahre in verschiedene Städte, litt in Wien vor allem unter schlechten Locations und lockte kaum jemanden vom Ofen hervor. Der Besucher wurde mit dem Sektensermon zugeschüttet und eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema war nicht möglich – es galt bzw. gilt nur der „Sektenmodus“ und der war/ist auf Kampf eingestellt.
Ich muss dazusagen, dass ich auch kein großer Freund der Psychiatrie bin, was daher kommt, dass meine Mutter Jahrzehnte lang Psychiatriepatienten war und ich einiges miterleben konnte. Neben diesen Negativerlebnissen ist aber in den letzten Jahrzehnten sehr wohl eine Weiterentwicklung bzw. ein Umdenken festzustellen. Scientology negiert diese vollkommen und bleibt beim „Feindbild“, das deren Gründer L. Ron Hubbard in den 50er-Jahren geprägt hatte – ein bekanntes Scientology-Phänomen. Nach diesem kurzen Abriss, ich werde in einem der nächsten Blogs noch näher darauf eingehen, aber nun zum Coup, den Scientology in Wien zweifellos gelandet hat.
Als Eröffnungsredner der Ausstellung, die im historischen Palais Palffy am Josefsplatz stattfindet, konnte besagter Dr. Karlheinz Demel (Foto) gewonnen werden und mir ist schon klar, dass sich die Psychosekte bzw. deren Ableger gerne in den Meriten Demels sonnen möchte: Der offensichtlich gut Vernetzte ist nicht nur Gerichtspräsident a.D., sondern wird dem „Roten Adel“ zugerechnet, gerne zu politischen Symposien eingeladen, leitete die Nationale Anti-Doping-Agentur, arbeitete am neuen Dopinggesetz mit und ist Vorsitzender des Aufsichtsrates der Erneuerbare Energieversorgung AG.
Was er zum Thema Scientology/Bürgerkommission für Menschenrechte bzw. deren „Kampf“ gegen die Psychiatrie zu sagen hat, werde ich mir morgen im Palais Palffy selbst anhören – sofern mir die Scientologen, die sicher zahlreich zugegen sein werden, Zutritt zu ihrer „feierlichen Eröffnung“ gewähren. Ich werde berichten, auch darüber, ob Dr. Demel vielleicht wegen akuter Magenbeschwerden verhindert war …
HBO-Doku Going Clear: Sie läuft in exakt einer Woche über die Bildschirme und deren Regisseur, Alex Gibney, war u.a. bei ABC bzw. Good Morning America zu Gast …
CNN berichtete im Rahmen eines anderen Talks …
Late Night schloss sich der Berichterstattung an …
Scientology seinerseits ließ derweil nichts unversucht, Gibney & Co zu diskreditieren – man könnte sagen: Wie es von der Psychosekte und deren Geheimdienst OSA zu erwarten war. U.a. wurde ein Brief an HBO aufgesetzt …
Wie üblich wurde eine „Freedom Magazine”-Seite erstellt und man produzierte ein Video in gewohnter Manier …
Dabei machte Scientology auch nicht Halt davor, das eine oder andere abzukupfern, was Marc Headley auffiel …
Wie gesagt: Noch sieben Mal schlafen und dann werden wir wissen, ob die Doku das hält, was sie im Vorfeld verspricht …
XenuExposed: Der Videokünstler überarbeitete unterdessen einige Jubelszenen der Scientologen und fügte einiges ein – frei nach Karl Farkas: Schau’n Sie sich das an …
L. Ron Hubbard Hall: Dann gäbe es noch einige Fotos vom letztwöchigen Jubelevent, der im kleineren Rahmen stattfand, dafür aber ein Modell der neuen Halle in Clearwater bot. Die Scientologen werden zur Kassa gebeten und bekamen dafür eine „Perspektive” zu sehen …
The Profit: Der Film wurde 2001, teilweise mit Ex-Scientologen, gedreht, feierte in Cannes Premiere – und erreichte nie die Kinosäle. Scientology hatte einen Gerichtsbeschluss erwirkt, der ihn auf die Schwarze Liste katapultierte. Im Internet tauchten seitdem immer wieder Kopien auf, die aber in einzelnen Ländern nicht abspielbar waren, z.B. in Deutschland. Daher heute eine um sechs Musikstücke bereinigte Version zum Genießen …
Das Wort am Sonntag: „Ich finde, dass man dem Komplex rund um Scientology, RTC, IAS und wie sie alle heißen mögen, ganz dringend jede rechtliche Basis entziehen sollte – es gibt schon genug Menschenverachtendes bzw. Kriminelles auf der Welt!”
UPDATE: ShoopZ veröffentlichte ein nettes Motiv zur HBO-Doku und Scientologyführer David Miscavige, das ich dem werten Publikum nicht vorenthalten möchte …
Fotos: The Concourse, Wikipedia, Press Mediasyndicate, Marc Headley, Tony Ortega (4), ShoopZ