Nachdem sie am „Tag der Offenen Tür“ einen ersten Eindruck gewonnen hatte, wollte Any bei einem weiteren Besuch nachhaken. Aber es kam anders als angedacht, Annette Löffler vom scientologischen Geheimdienst OSA erwartete sie bereits und hatte sich offensichtlich über Any kundig gemacht.
Aber der Reihe nach und daher zuerst das Video der Ankunft bzw. des Wartens auf eine Person, die Auskunft geben soll …
Dann der Bericht von Any Nonymous: „Ich gehe die Treppe hoch und direkt zum Empfang, der Eingangsbereich ist leer. Der Scientologe am Empfang telefoniert gerade, legt aber sofort auf, als er mich sieht. Ich bringe mein Anliegen vor – bloß einige Fragen zu den Unterlagen, die sie mir bei meinem letzten Besuch ausgehändigt haben. Natürlich ist meine Kamera eingeschaltet. Er bittet mich, einen Moment zu warten und tätigt einen Anruf. Nach einigen Minuten fragt er nach meinem Namen. ‚Any‘, antworte ich und warte weitere 2 Minuten.
Eine Frau kommt angerauscht, sagt, ich müsse mein Telefon weglegen, weil sie nicht gefilmt werden will. Ich frage warum, sie sagt, sie habe mich auf Facebook gefunden – ich habe diese Frau noch nie gesehen, und sie kannten bloß meinen Vornamen!!! Ich frage sie nach ihrem Namen. ‚Annette Löffler‘, sagt sie.
Ich habe einige Seiten von Thomas Erlemann geliked und kommentiert, sagt sie. Vorerst verneine ich das, denn obwohl mein Handy in meiner Tasche steckt, habe ich ein Aufnahmegerät unter meinem T-Shirt.
Dann zeigt sie mir noch einmal das gesamte Material über die Scientology-interne Anti-Drogen-Kampagne ‚Sag-Nein-Zu-Drogen‘. Ich lasse es über mich ergehen, nur um doch noch einige Fragen stellen zu können. In dem Gespräch versucht sie immer wieder, persönliche Informationen von mir zu bekommen, fragt, was ich im Leben so mache, warum ich zu Scientology komme, mich dafür interessiere, welche Ausbildung ich mache, etc.
Nach einiger Zeit kommt der junge Mann vom letzten Mal vorbei, der damals mit seiner Frau telefoniert hatte. Frau Löffler sagt, er sei von der Sea Org aus Kopenhagen eingeflogen worden und arbeite nun seit der Eröffnung des Gebäudes in Basel. Ich frage natürlich nach, was eine Sea Org sei, sie sagt diese Menschen leben wie Mönche. Für ihren Lebensunterhalt sei gesorgt, sie widmen ihr Leben ganz der Scientology-Organisation. Man dürfe zwar Kinder kriegen, müsse dann allerdings die Sea Org für die Zeit verlassen, um sich um das Kind zu kümmern.
Ich frage sie, was denn ihre Funktion in der Scientology-Organisation sei und sie sagt, sie sei eine Mitarbeiterin, habe nebenbei noch einen weiteren Job und eine Familie. Später sollte ich herausfinden, dass diese Frau von OSA ist.
Wir kommen auf das Thema Kindererziehung. Sie erzählt mir. wie sie ihre Kinder erzogen habe, dass sie diese nicht mit ihren eigenen schlechten Erinnerungen belasten möchte und deswegen anders reagieren würde, als andere Eltern. Sie nennt mir ein Beispiel: Wenn ein Kind auf einen Stuhl klettert, solle man ihm nicht helfen, dort wieder herunterzukommen, nur weil man auf Grund eigener schlechter Erfahrungen das Gefühl hat, es könne mit dem Stuhl umfallen. Und sollte das Kind dennoch herunterfallen, würde sie nicht sofort zu dem Kind hinrennen und es trösten oder schimpfen, sondern möglichst nicht auf das Kind einwirken, damit es keine schlechten Erinnerungen hat. Man müsse dem Kind zwar Grenzen und Regeln vorgeben, aber nicht auf das Kind einwirken, denn ein Kind ‚kann bereits ganz viel, was wir uns gar nicht vorstellen können‘. Diese Aussage verwirrt mich, vor allem nach dem was ich über Scientology und ihrer Vorstellung von den Thetanen, also den bereits ausgewachsenen Geistwesen in diesem Falle in Kinderkörpern, weiß. Behandeln die Scientologen Kinder also genauso wie Erwachsene und erwarten dass diese mit einer Situation wie ‚vom Stuhl fallen und sich wehtun‘ selbständig umgehen können?
Beim Thema Thetan angelangt, zeigt die Annette mir die scientologische ‚Brücke zur Freiheit‘, eine Tafel auf welcher der Weg zur ‚Befreiung des Thetans‘ beschrieben ist. Das beinhaltet ganz viel Auditing, ein Reinigungsprogramm und Selbststudien-Kurse. Wir unterhalten uns eine Weile über die verschiedenen Stufen und ich frage auch, warum es zu den oberen Stufen, den sogenannten ‚OT-Stufen’ (OT = Operierender Thetan) keine weiteren Angaben/Beschreibung zum Ziel gäbe. Dieser Frage weicht sie immer wieder aus. Dann frage ich, warum es nach der achten OT-Stufe denn noch weiter geht, dort aber gar keine Informationen angegeben sind. Sie sagt, diese Stufen würden erst in den nächsten Jahren freigegeben. Neugierig frage ich, wer denn diese Stufen geschrieben habe, wenn doch alles von Scientology-Gründer L. Ron Hubbard vorgegeben sei (der ist zu lange tot, um das jetzt noch schreiben zu können). Annette sagt: ‚Man hat die Originalnotizen des Gründers in den Archiven gefunden, diese noch einmal durchgeschaut und herausgefunden, dass der Gründer weitere OT-Stufen (Bisher nur bis OT-8, jetzt bis OT-12) aufgeschrieben hat.‘ – ‚Gibt es denn viele Leute, die bereits OT-8 sind?‘, frage ich. ‚Ja, wir haben sehr viele auch hier bei uns im Haus‘, antwortet Annette.
Ich frage sie, ob sie denn auch schon an diesem System gezweifelt habe. ‚Ja‘, sagt sie, ‚allerdings bin ich noch immer davon überzeugt, sonst würde ich nicht so positiv darüber berichten können.‘
Wir unterhalten uns noch etwas über die OT-Stufen und gehen danach wieder zur Rezeption zurück. Annette geht zu einem der Displays, offensichtlich möchte sie mir etwas zeigen. Wir setzen uns vor das Display und sie wählt eines der Filmchen aus. Darin geht es um das Thema ‚Antisoziale Personen’, in der Scientology-Sprache auch als ‚Unterdrückerische Personen’ bezeichnet. Man sieht viele Menschen, die anderen in bestimmten Situationen Schaden zufügen, entweder aus Eigenprofit, Schadenfreude oder auch einfach aus Versehen. Der Film schockiert mich. Nachdem er beendet ist frage ich direkt: ‚Und? Bin ich ein Antisozialer Unterdrücker?‘ Die Antwort kommt für meinen Geschmack etwas zu schnell: ‚Nein, ich wüsste nicht wieso.‘ Ich frage mich, warum Annette mir ausgerechnet diesen Film gezeigt hat und das ohne mich vorher darüber zu informieren, was das Thema des Filmes ist.
Ich sage zu Annette, dass ich dieses Schwarz-Weiß-Denken überhaupt nicht mag, dass es ‚schlechte‘ und ‚gute‘ Menschen geben soll, und frage sie, ob ich denn ein Antisozialer Unterdrücker sei, wenn ich ihr jetzt sage, dass alles, was sie mir bisher erzählt hat, kompletter Bullshit ist. Auch dies beantwortet sie mit ‚Nein‘.
Wir kommen auf die Demonstrationen bei der Eröffnungsfeier zu sprechen und sie fragt mich, was ich davon halte. ‚Ich finde es lustig’, antworte ich wahrheitsgemäß. ‚Ich kann nicht verstehen, dass man sich darüber so aufregen kann‘. Ich sage ihr, dass ich solche Demonstrationen auf keinen Fall verbieten lassen würde, es ist die freie Meinungsäußerung dieser Menschen und das ist ihr Recht.
Nun neigt sich mein Besuch dem Ende zu. Mit den Worten: ‚Ich werde ganz bestimmt niemals zu ihren Scientologen gehören‘, verabschiede ich mich. Ich verlasse das Scientology-Gebäude. Auch bei diesem Besuch fällt mir erst beim Verlassen wieder auf, wie sehr mich diese ständige Beobachtung stresst. Für mich war auch dieser Nachmittag bei Scientology verstörend. Wie sehr bei dieser Organisation kategorisiert wird, eingeteilt in Gut und Böse und genau vorgeschrieben ist, was man tun darf und was nicht, erschreckt mich. Eine gute Abschreckung!“
Unabhängig des aktuellen Scientology-Besuches merkte Any noch etwas an: „Bei meinem Besuch am Samstag den 2. Mai 2015, hatte ich kurz vor dem Verlassen des Scientology-Gebäudes am Empfang gefragt, wo man das Buch Dianetik erwerben könnte. Die Antwort: ‚Hier bei uns oder fragen Sie bei Thalia nach!‘ – Thalia ist eine Buchhandlung in der Schweiz, die auch in Basel eine Filiale besitzt.
Ich war am Mittwoch, dem 6. Mai 2015, bei Thalia, Bieder & Tanner und Exlibris, alles Buchläden in Basel, und habe nach Dianetik gefragt. Als Antwort kam nur: ‚Wir können es bestellen, es ist aber von fast nirgendwo mehr lieferbar.‘ Bei Bieder & Tanner kam auch noch als Kommentar: ‚Ist das nicht dieses Scientology-Zeugs?‘ – ‚Ja‘, sagte ich. ‚Scientology hat mir gesagt, man könne es in der Buchhandlung kaufen.‘ – Antwort: ‚Ja, die behaupten viel …‘“
UPDATE …
Der fast tägliche Blick auf die Facebook-Likes der Psychosekte:
Scientology Offiziell: 289.867 (gestern: 288.526)
Scientology Berlin: 247 (244)
Scientology Hamburg: 142 (139)
Scientology München: 78 (78)
Scientology Basel: 326 (326)
Scientology Zürich: 248 (248)
Scientology Bern: 7 (7)
Scientology Österreich: 26 (25)
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