Mittlerweile sind osteuropäische Einbrecher- bzw. Diebsbanden auf den Zug aufgesprungen und merkten nicht unlogisch an, dass ihre Beutezüge auch als New Economical Movements (NEM) gesehen werden könnten und damit auch die Diskriminierung ganzer Landstriche wegfallen würde. Man macht schließlich nichts anderes, als den Vertriebsweg einzelner Güter in einer anderen, eben neuen Form zu beschreiten. Der Flachbildschirm oder das Auto bleibt erhalten, das Geld verlässt den Kreislauf ebenfalls nicht und bei der Übergabe bestimmter Autotypen, kann man Phänomene feststellen, die einen Religionscharakter erkennen lassen. Man wird sehen, wie die Wissenschaft diese „Umstände” einordnen und bewerten wird …
Aber kommen wir wieder zum Themenkreis Wikipedia und Scientolog, den New Religious Movements (NRM) und den an diesem Prozess beteiligten Religions- und Sozialwissenschaftlern zurück. Mit James R. Lewis haben wir den Bereich der „Reisenden“ betreten, die im schnellen „Erkennen“ einer NRM rund um den Erdball unterwegs sind – und für dieses „Movement” dann vehement eintreten.
Nicht ganz so schnell Überzeugte sprechen in diesem Zusammenhang von Cult Apologists und von J. Gordon Melton und Eileen Barker als „Vater“ und „Mutter“ dieser Fraktion. Im Englischen versteht man unter Cults das, was man im Deutschen als Sekte oder Destruktiver Kult kennt, Apologists sind Verfechter, Fürsprecher oder Verteidiger solcher Organisationen. Womit ich beim „Vater” derselben angelangt wäre …
J. Gordon Melton war bis 1985 als ordinierter Priester der Emmanuel United Methodist Church aktiv, bevor der graduierte Theologe (Ph.D. an der Garrett Theological Seminary and Northwestern University) als Begründer des Institute for the Study of American Religion (ISAR), das aber neben Melton keine Mitarbeiter oder Mitglieder hat, und seinem Handbuch The Encyclopedia of American Religions in Fachkreisen bekannt wurde. Darüber hinaus ist er in einer außerordentlichen Rolle an der University of California eine Art Studienautor in Bezug auf Religion bzw. Neue Religiöse Bewegungen und an der Baylor University im Bereich Religion ein Distinguished Senior Fellow (eine Art von Berater).
Ansonsten hat er 25 Bücher verfasst, beschäftigte sich dabei u.a. mit neuen und alternativen Religionen, Okkultismus, Parapsychologie, New Age, Vampirismus und ist als Fachautor für die Encyclopaedia Britannica tätig.
Das Interesse Meltons an Vampiren mündete in dessen Präsidentschaft des US-Chapters der Transylvanian Society of Dracula.
Um auf den Punkt bzw. Scientology zu kommen: Melton stellte Scientology seine Expertise bereits 1981 zu Verfügung, seine Schrift mit dem Titel Eine kurze Studie über die Scientology-Religion findet man (auf einer Scientology-OSA-Seite) hier …
Man kann Melton aber nicht nur auf den Rednerlisten von Veranstaltungen über Scientology finden, sondern auch auf jener von CAN, dem ursprünglich Sekten gegenüber sehr kritisch eingestellten Cult Awareness Network von Margaret Singer, das 1996 in den Bankrott getrieben wurde, bevor ein Scientologe den Namen, Firmeninventar, Karteien, Akten und die Telefonnummer aus der Konkursmasse kaufte. Melton trat selbstverständlich erst für das neue Scientology-CAN ans Rednerpult.
Dass Melton keinerlei Berührungsängste hat, zieht sich wie ein roter Fasen durch seine Vita. So sprach er z.B. auch bei Veranstaltungen der Children of God (Kinder Gottes). Diese Sekte „zeichnete“ sich u.a. dadurch aus, dass bei der Mitgliederwerbung Sexualpraktiken (“Love bombing” bzw. “Flirty Fishing”) eingesetzt wurden, die man erst beendete, als das AIDS-Risiko zu hoch wurde.
Damit man sich J. Gordone Melton live vorstellen kann, ein Youtube-Video der University of South Florida. Das Thema? Selbstverständlich Neue religiöse Bewegungen – ab Minute 1:20 …
In einem Prozess in London trat Melton ein weiteres Mal für die Children of God auf bzw. ein. Die Sekte war mittlerweile wegen Kindesmissbrauchs verurteilt worden – für Melton kein Problem. Hier der Artikel auf Wikipedia über die Children of God aka Family of Love aka The Family International, wo die Sekte selbstredend als Neue Religiöse Bewegung entriert wird, der restliche Artikel aber neutral gehalten ist.
J. Gordon Melton sah bzw. sieht so ziemlich alles und jeden als Neue Religiöse Bewegung – doch halt, da findet sich ein Gegenbeweis: Die Chicago Tribune berichtete am 12. November 1985, dass Melton der Street Gang El Rukns attestierte, zwar weder eine alte, noch eine neue Religionsgemeinschaft zu sein, sondern eher eine Bruderschaft, dass ihn aber deren „Glauben“ sehr stark an den orthodoxen Islam erinnere [sic!].
1988 gründete J. Gordon Melton davon unbeeindruckt gemeinsam mit dem italienischen Patentanwalt Massimo Introvigne, dem Schweizer Geschichtswissenschaftler Jean-François Mayer und der britischen Soziologin Eilleen Barker das Center for Studies on New Religions (CESNUR – Zentrum für Studien über neue Religionen) mit Sitz in Turin.
Womit ich bei der „Mutter“ des Religionswissenschaftlertrüppleins angekommen wäre: Eilleen Barker …
Eileen Barker ist emeritierte Soziologieprofessorin der London School of Economics (LSE) und wie J. Gordon Melton im Bereich der New Religious Movements omnipresent. Unter der Schirmherrschaft des Erzbischofs von Canterbury und finanziert vom Home Office (Innenminsterium), gründete sie 1988 das Information Network Focus on Religious Movements (INFORM) und wurde 2000 als Officer of the Order of the British Empire (OBE) ausgezeichnet.
Kritiker werfen Barker eine „aufgeweichte“ Haltung zu Sekten vor, die sie sehr schnell als Neue Religiöse Gruppen einstuft und in weiterer Folge „versteht“. Dies trifft vor allem im Hinblick auf ihre Haltung gegenüber den Moonies (Vereinigungskirche), aber auch bei Scientology und The Family International zu, wo sie auch sehr gern gesehene Rednerin ist. Mit Tom Sackville, einem ehemaligen Innenminister in England, „verbindet“ Barker eine intime Feindschaft, die u.a. darin mündete, dass Sackville ihr zwischen 1997 bis 1999 die finanzielle Unterstützung ihrer INFORM strich.
Sie hat für Scientology direkt nichts publiziert, schwebt eher wie eine verständnisvolle Wolke über dem Ganzen, was ihr die eine Seite als wissenschaftliche Haltung und die andere als Sektenförderung auslegt. In Antwerpen 2014 war sie dementsprechend als Keynote Speaker ohne spezifische Themenangabe aktiv.
Konkreter wird es dann bei einem anderen Antwerpen-Redner: Massimo Introvigne …
Der Italiener Massimo Introvigne ist eigentlich Patentanwalt, hat es aber trotzdem geschafft, mittlerweile als Soziologe gesehen zu werden. In seinem Heimatland kann er als Opinion Leader in Sachen Religionen aller Art gesehen werden, was eventuell ein Begleitumstand dabei ist, dass Scientology dort über die größte Mitgliederschar in Europa verfügt und das italienische Höchstgericht befunden hat, dass es sich bei Scientology um eine Religion handelt. Über das Center for Studies on New Religions (CESNUR) ist er mit J. Gordon Melton und Eilleen Barker verbunden.
Mit J. Gordon Melton verbindet ihn darüber hinaus, dass Introvigne wie dieser das Gebiet des Vampirismus entdeckt hat und folgerichtig das italienische Chapter der Transylvanian Society of Dracula leitet.
Dabei kommt er eigentlich aus der erzkatholischen bzw. rechtsextremen Ecke und ist in der Alleanza Cattolica führend tätig. Mehr dazu auf einer kritischen Seite zu Introvigne bzw. CESNUR, die sie hier finden …
Seine Meinung in Bezug auf Scientology hat der „Dottore“ selbstverständlich bereits 1997 kundgetan und Scientology präsentiert das Ergebnis stolz – Titel der Schrift ist Religionsfreiheit in Europa und zu finden ist sie hier …
Wobei ein anderer Aspekt noch interessanter ist, der sich in einem der Aufsätze von Introvigne für CESNUR findet – und zwar, was das Verhältnis von Religionswissenschaftlern zu Scientology betrifft: „Die Church of Scientology fragte beispielsweise eine Reihe von Wissenschaftlern, ob sie eine Schrift zur religiösen Natur von Scientology verfassen können, die später dann [von Scientology] in einem ihrer Verlage publiziert wurde. Ich war nicht unter den Wissenschaftlern, die eine derartige Schrift verfassten, aber ich habe danach mit Kollegen gesprochen, die es taten und habe herausgehört, dass die Geldsummen, um die es dabei ging, minimal waren“.
Womit das Wesentlichste gesagt wäre – zu finden ist die Ansage von Massimo Introvigne hier …
Damit man sich ein Bild machen kann, ein Vortrag von Massimo Introvigne, den er für die Radboud University in Nijmegen/Holland hielt, ab Minute 3:40 kommt der Meister himself dann in selbiges …
Viele Kritiker sehen in Introvigne den Cult Apologists Apologist, wobei auch die Definition eines Media Wizards beschreibend ist.
Um wieder einmal auf den Punkt zu kommen und den Kurzausflug in die Welt der Religions- und Sozialwissenschaftler nicht zu einem strapaziösen Mehrtagesmarsch ausarten zu lassen, folgendes Resümee: Alle Genannten eint, dass sie in Scientology eine Neue Religiöse Bewegung sehen, was sowohl im DUDEN, als auch bei Wikipedia ihren Niederschlag fand. Aber auch die allgemeine Diskussion und die Medien stehen zunehmend vor dem „Problem“, wie sie Scientology titulieren sollen.
Scientology bzw. deren Geheimdienst OSA verfügt mittlerweile über ein wohlgefülltes „Arsenal“ mit Expertisen – man listet insgesamt 43 solcher Schriften auf. Darunter finden sich neben den bereits genannten welche von Herbert Richardson Ph.D., Prof. Dr. Dionisio Llamazares Fernández, Juha Pentikäinen, Jurgen F.K. Redhardt, Michael York, M. Darrol Bryant Ph.D., Dean M. Kelley, Fumio Sawada, Prof. Per-Arne Berglie, Prof. Alan W. Black, Alejandro Frigerio Ph.D., Bryan Ronald Wilson Ph.D., Prof. Urbano Alonso Galan, Prof. David Chidester, Marja Pentikainen, Prof. Harri Heino, Michael A. Sivertsev Ph.D., Prof. Dr. Josef Wolf, Prof. Lonnie D. Kliever, Prof. David Kinsley, Prof. Frank K. Flinn, Prof. Jeffrey K. Hadden, Rev. Dean M. Kelley, Prof. Petro B.T. Bilaniuk, Prof. David G. Bromley, Prof. Dr. Ferdinand Kopp, Prof. Dario Sabbatucci, Prof. James A. Beckford, Prof. Dr. Dr. Gernot Wießner, Prof. Gary D. Bouma, Prof. Samuel S. Hill, Prof. Geoffrey Parrinder und Prof. G.C. Oosthuizen.
Zu finden sind sie auf einer von Scientology/OSA betriebenen Seite, die Sie hier finden …
Manche dieser Schriftstücke wurden von Scientology gedruckt bzw. übersetzt – zu finden sind sie hier (ebenfalls eine Scientology-Seite) …
Die jeweiligen Titel der Schriften lassen die Marschrichtung erkennen: Scientology: Analyse und Prüfung einer neuen Religion, Scientology: Vergleichende Analyse ihrer religiösen Lehre und Doktrin, Scientology: Ein Weg der spirituellen Selbstidentifikation, Scientology: Eine religiöse Gemeinschaft usw. – jede Abhandlung wäre eigentlich einer detaillierten Betrachtung bzw. eines Mehrtagesmarsches würdig!
Vor allem Prof Frank K. Flinn wurde dabei zu meinem Lieblingsreligionswissenschaftler. Der ehemalige Franziskanermönch, der wiederholt als Gutachter für Scientology vor Gericht auftrat, sieht in Scientology doch glatt einen „technisierten Buddhismus“ und in L. Ron Hubbard einen Religionsstifter, wie es Franz von Assisi einer war [sic!].
Womit ich bei meiner Kurve zur aktuellen deutschsprachigen Fraktion der Scientology-Fürsprecher angelangt wäre. Stichwortgeber ist dabei ein weiterer Redner der Antwerpen-Scientology-Konferenz 2014: Marco Frenschkowski …
Marco Frenschkowski ist Theologe an der Universität Leipzig und hatte bereits im Jahr 2000 in der Zeitschrift Evangelische Theologie ausdrücklich die These vertreten, Scientology sei tatsächlich “sehr eindeutig eine Religion”.
Mehr dazu im nächsten Blog …
Fotos: OC Weekly, Bayloriat, UCR Today, Kebelekler, Uni Hamburg