Als Opener ein Witz, der sowohl der Transylvanian Society of Dracula bzw. deren Präsidenten, aber auch Scientology vielleicht (nicht) gefallen könnte: Treffen sich des nachts zwei Vampire. Der eine der beiden sieht etwas angeschlagen aus und der andere versucht ihn aufzumuntern: „He, da vorne ist eine Scientology-Organisation. Lass uns hingehen und kräftig Blut tanken!“ Der andere winkt ermattet ab: „Von dort komme ich gerade – die saugen selbst!“
Und damit wäre ich wieder beim Thema: Die Religionswissenschaftler im deutschsprachigen Raum, die u.a. für Scientology eintreten. An ihrer Spitze fand man – und ich nehme an: findet man nach wie vor – Dr. Gerhard Besier. Der evangelische Theologe, Religionshistoriker und ehemalige Direktor im Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung bzw. Professor an der TU Dresden (2012/13 emeritiert), vertrat seine Position am deutlichsten.
DER SPIEGEL zu Gerhard Besier: „Es waren nur drei Minuten. Eine Ansprache, einfach so dahin geredet, sagt Gerhard Besier. Aber diese drei Minuten könnten den bekannten Dresdner Kirchenwissenschaftler nun womöglich den guten Ruf kosten. Oder gar die Karriere. Denn Besier sprach bei der Eröffnung des neuen Scientology-Büros im September in Brüssel.
‚Eine Stippvisite‘ sei das gewesen, ‚völlig privat‘, beteuert der Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung heute. Die Psychosekte hingegen behauptet, der renommierte Historiker sei ihr Ehrengast gewesen.“
Konkret ging es damals um die Eröffnung des Lobbyingbüros von Scientology im Jahr 2003, das mittlerweile u.a. unter Anklage seitens des belgischen Staates steht. Wobei die Rede von Besier – Stippvisite hin, Ehrengast her – auf jeden Fall bemerkenswert ist: „Es bereitet mir beträchtliches Vergnügen, heute hier anlässlich der Eröffnung des neuen und sehr eindrucksvollen Büros der Church of Scientology International zu sprechen.
Es wird eine Schlacht geführt für die Glaubensfreiheit und die Freiheit des Gottesdienstes. Sie findet in Deutschland statt und quer durch Europa, wo der Konflikt zwischen der nach dem Gesetz garantierten Glaubensfreiheit und der tagtäglichen Wirklichkeit religiöser Diskriminierung oft aufbricht. …
Von allen neuen religiösen Bewegungen in Deutschland ist Scientology bei weitem die sichtbarste und überstand viele Angriffe.
Die Schlacht ist noch nicht vorüber. … Scientologen geben nicht auf. Sie sind entschlossen. Sie halten durch. Sie zeigen Mut angesichts von Hindernissen.“
Noch Fragen?
Gerhard Besier wurde auf jeden Fall von der Universität Lund/Schweden im Jahr 2009 für seine außerordentlichen Leistungen auf den Gebieten der Geschichte bzw. Kirchengeschichte, sowie aufgrund seines Engagements für Religionsfreiheit in Europa mit der Ehrendoktorwürde ausgestattet.
Abrundend noch zwei Artikel zu Gerhard Besier in DER SPIEGEL: Hier jener aus dem Jahr 2003 und der aus dem Jahr 2007 …
Gerhard Besier gibt gemeinsam mit Dr. Hubert Seiwert die Zeitschrift Religion – Staat – Gesellschaft heraus, die im Untertitel angibt, eine „Zeitschrift für Glaubensformen und Weltanschauungen“ zu sein. Womit ich beim nächsten Religionswissenschaftler der deutschsprachigen Fraktion angelangt wäre. Seiwert ist wie angesprochen Religionswissenschaftler und –historiker an der Universität Leipzig und seine exponierte Position in der Debatte über sogenannte Sekten, die er seit Mitte der Neunziger Jahre pflegt, fand sogar Eingang in seinen Wkipediaartikel.
Dr. Seiwert arbeitete bei der Enquetekommission des Deutschen Bundestages mit und sieht Scientology selbstredend als Neue Religiöse Bewegung. Seine Kernaussage lautet: „Wir müssen aufhören, [bei Scientology] andere Maßstäbe anzusetzen als bei anderen Religionen!“.
Zusatz von Seiwert: „Selbst wenn [Scientology] – wie sie in einem Strategiepapier vor der Eröffnung der Zentrale in Berlin bekannt gab – bei ihrer ‚planetarischen Rettungskampagne‘ beabsichtige, ‚Lösungen in die gesamte deutsche Gesellschaft‘ einzuarbeiten, sei das nicht negativ zu verstehen. Die Gesellschaft verändern zu wollen, ist nichts Böses!“
In das gleiche Horn bläst der nächste Cult Apologist: Dr. Gerald Willms, diplomierter Sozialwirt und ebenfalls Verfechter der Religionstheorie in Bezug auf Scientology. Seine Kernaussage: „Zusammengefasst gesagt: In den religionssoziologischen Perspektiven bleibt Scientology auch als äußerlich hochrationalisierte oder moderne Religion innerhalb der NRM [New Religious Movements – Neue Religiöse Bewegungen] … begründeten Spannung zur (unterstellten) Rationalität moderner Gesellschaften.“
Womit sicher der Kreis mit Dr. Marco Frenschkowski, Theologe an der Universität Leipzig, schließt, dessen Kernaussage ist: „Scientology ist eindeutig eine Religion”.
In der morgigen Sonntagsbetrachtung gibt es aktuellen Anschauungsunterricht, wie das Netzwerk von Grieboski, Besier & Co in der Praxis agiert, bevor es am Montag wieder ganz konkret um Wikipedia geht …
Fotos: Curiosity Qills, Wikipedia, AGPF (2), TU Dresden, V-R