Um mit der Behandlung der einzelnen Wikipedia-Themen fortzufahren, eingangs etwas weitgehend Positives: Die Etymologie schaut halbwegs neutral aus, wobei man sich den Begriff „Kirche” im Zusammenhang mit Scientology schenken hätte können ö- oder war das dem vorauseilenden Gehorsam geschuldet? Dafür hätte man bei der Anmerkung einer früheren Verwendung des Begriffs Scientology das Beispiel des Satirikers Allen Upward erwähnen können, der den Begriff Scientology um 1910 verwendet hat, um damit pseudowissenschaftliches Geschwätz zu beschreiben, die als Fakten verkleidet werden: „An unhappily scientology is as often mistaken for science as theology is for worship.“ (Quelle: Hugh B. Urban, The Church of Scientology – The History of a New Religion, 2011). Dahingehend passt der Name sehr gut zu Scientology – aber auch zum Wikipedia-Artikel …
Ansonsten ist an der Etymologie nichts auszusetzen. Dafür umso mehr beim nächsten Kapitel mit dem erwartungsfrohen Namen Geschichte. Wer sich jetzt eine befriedigende Behandlung von Scientology im Laufe der Jahrzehnte erwartet hat, wird schwer enttäuscht. Es wird lediglich festgestellt, dass dieses 1950 und jenes 1954 – alles „Fakten“, die zu einem Drittel auf Gerald Willms fußen, das meiste weglassen und auch sonst nur der eine oder andere Cult Apologist bemüht wird.
Was z.B. spannend gewesen wäre, nämlich wie die Rezensionen auf den Erstling Hubbards 1950 ausfielen, verschwieg man ebenfalls und verstieg sich dafür lieber zur Behauptung, dass Hubbard Scientology „1952 in ‚Scientology 8–80‘ zu einer Weltanschauung mit dem Anspruch einer Religion erweiterte“.
Mittlerweile hat ein Wikipedia-Autor das geändert, da diese Aussage, gelinde ausgedrückt, Schwachsinn ist, wie ich bereits ausführte. Hubbard sprach erst im Buch The Phoenix Lectures (Herbst 1954), er hatte mittlerweile aus strategischen Gründen drei [sic!] Kirchen gegründet, erstmals über das Thema „Religion“: „Scientology is a religion in the very oldest and fullest sense.”
Im gleichen Jahr (1954), zu Beginn des selbigen, meinte Hubbard im Vorgängerbuch The Creation of Human Ability im vollen Brustton der Überzeugung: „It [Scientology] is not … a religion.“
Alles Umstände, die Wikipedia nicht interessieren, dafür handelt man lieber Jahreszahlen und „vorläufige Höhepunkte seines Erfolges ab“. Die okkulten Wurzeln von Scientology, Hubbards Bigamie, dessen „Verhältnis” zur US-Veteranenbehörde, das eigentliche Warum der Gründung von Scientology (Bankrott von Dianetik usw.), warum Hubbard 1953/54 eine Kirche daraus machte und so weiter und so fort, wurde nicht angesprochen – und das bei exzellenter Quellenlage. Die allerdings nicht in das gezeichnete Bild einer Neuen Religiösen Bewegung passen und damit Willms & Co gegen den Strich gingen!
Was die Wikipedianer zumindest schon aus Eigeninteresse interessieren sollte: Welche „Autoren“ sie in ihren Einzelnachweisen zitieren! Da fällt in diesem Kapitel gleich einmal James A. Beckford auf, Soziologieprofessor an der englischen University Warwick und ein von Scientology gekaufter Wissenschaftler, dessen „Werk“ in deren Verlag Freedom Publishing verlegt und auf Scientologyseiten publiziert wird. Neutralität sieht anders aus – odrr, Herr Stettler?
Beim Thema Anhängerschaft wird Beckfords wissenschaftliche Feststellung aus dem Jahr 1985 [sic!] herangezogen, um festzuhalten, dass „bei Scientology insbesondere verheiratete Angestellte mit überdurchschnittlichem Bildungsniveau rekrutiert; das Verhältnis von Männern zu Frauen beträgt in etwa drei zu zwei.“
Wow – Allen Upward hatte eindeutig recht: „Scientology“ …
Dabei fiele mir bei der Betrachtung der beiden Kapiteln auch noch ein anderer Begriff ein: Geschichtsklitterung bzw. Geschichtsfälschung!
Wikipedia hätte dazu eine sehr gute Definition anzubieten: „Bei einer Geschichtsfälschung wird vorsätzlich versucht, mit wissenschaftlich unlauteren Mitteln einen falschen Eindruck von historischen Ereignissen und ihrer Interpretation zu vermitteln.“
Das Entschiedende: Was weiß der Leser des Wikipedia-Artikels jetzt über die Psychosekte? Gar nichts. Das kommt dafür aber „wissenschaftlich“ rüber.
Und nachdem so etwas von jemandem federführend „behandelt” werden muss, nachfolgend einer der Hauptakteure beim Wikipedia-Artikel. Sein Pseudonym lautet Fossa und er hat nach eigener Aussage das Thema Scientology adoptiert. Leider sieht man auf seinem Benutzerprofil nichts mehr, da es vor Kurzem gelöscht wurde, aber ein Screenshot hat diese Säuberungsaktion überlebt …
Böse Zungen könnten jetzt behaupten, dass die Ratten das sinkende Schiff verlassen würden. Dabei bestreitet Fossa sowieso, dass 90 Prozent des Scientology-Artikels aus seiner Tastatur stammen – hier der Link, der noch funktioniert -, seine Federführung kann aber nach Adoptionsrecht als gegeben angesehen werden.
Fossa bürgerlicher Name ist Dr. Thomas Koenig und dabei ist eine Verwechslung ausgeschlossen, wie Artikeln von Heise bzw. in der taz belegen …
Was Koenig detailliert beim und mit dem Wikipedia-Artikel gemacht hat, kann ich nicht sagen. Was auffällt: Er kommt aus Göttingen, der gleichen Stadt, in der auch Dr. Gerald Willms beheimatet ist, und bei Wikipedia fiel Koenig mit seiner „Angriffsstrategie“ auf, die zu zeitweiligen Sperren führte bzw. viele Autoren vertrieb oder einschüchterte. Inwieweit die Göttingen-Connection aus Gerald Willms einen Einzelnachweis-King gemacht hat, lasse ich dahingestellt.
Ich komme daher lieber zur logischen Konsequenz, die nicht auf meiner ursprünglichen Agenda stand – aber 1.000 tägliche Seitenaufrufe sind mehr als nur ein Argument.
Es würde nicht genügen, den Artikel abzuarbeiten, festzustellen, dass Wikipedia von Scientology unterwandert wurde und dann meine Wege zu gehen, während täglich tausend Personen ein falsches Bild über Scientology vermittelt wird.
Und da ich nicht damit rechne, dass Wikipedia den Scientology-Artikel vom Netz nehmen wird, werde ich unter die Wikipedia-Autoren gehen und dort unter meinem Klarnamen auftreten. Schau ma mal, wie mich die Community empfängt und ob sich Fossa bis dahin vielleicht selbst gelöscht hat.
Im Übrigen werde ich selbstverständlich über meine entsprechenden Wikipedia-Erfahrungen bloggen – völlige Transparenz wird also gegeben sein.
Fotos: Families against cult teachings, Scientologypublikation, Screenshots (2), Xing